Jedes Jahr im Oktober und November richten sich im kanadischen Manitoba alle Augen gen Norden. Das verschlafene Städtchen Churchill am Ufer der Hudson Bay zählt gerade mal 900 Einwohner, verwandelt sich im Herbst jedoch zu einem Hotspot für abenteuerlustige Urlauber, die sich für die alljährliche Migration der Polarbären in Position bringen. "Eisbärenhauptstadt der Welt" – so lautet der Spitzname Churchills!
Kein Wunder, denn die kleine Stadt ist der am besten zugängliche Ort der Welt, um den König der Arktis in freier Wildbahn zu beobachten. Von Juli bis November halten sich die mächtigen Tiere an Land auf und können jederzeit am Ufer der Hudson Bay gesichtet werden. Doch es sind die Herbstmonate, die traditionell als beste Zeit zur Eisbärenbeobachtung gelten. Mit Einsetzen der kalten Jahreszeit machen sich die Polarbären – normalerweise als Einzelgänger unterwegs – aus ihren Sommerrevieren in der Tundra auf den Weg nach Churchill, um sich in Scharen in der Nähe der Stadt am Ufer der Hudson Bay zu sammeln. Hier warten sie sehnsüchtig darauf, dass sich das Meereis bildet, damit sie bis zur Eisschmelze im Juni auf der zugefrorenen Bucht auf Robbenjagd gehen können.
In Churchill und Umgebung gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten, die Eisbären im Herbst zu beobachten. Welche die beste ist, hängt von der individuellen Abenteuerlust, dem Wunsch nach Exklusivität ... und – seien wir ehrlich – dem zur Verfügung stehenden Reisebudget ab. Unser Abenteuer-Leitfaden hilft dabei, die Fülle der unterschiedlichen Angebote zu durchschauen:
Zum Abhaken der Bucket-List: Ein Tagesausflug in die Tundra
Die meisten Gäste besuchen Churchill zur Eisbärensaison im Rahmen einer mehrtägigen, geführten Pauschalreise eines lokalen Reiseunternehmens. Wer etwas unabhängiger reisen möchte, muss zunächst einmal auf eigene Faust nach Churchill kommen. Calm Air International bietet tägliche Flüge zwischen Winnipeg und Churchill an, die Flugzeit beträgt etwa zwei Stunden. Die kanadische Bahngesellschaft VIA Rail bedient die Strecke von Winnipeg nach Churchill zweimal pro Woche. Im Zug legt man rund 1.000 Kilometer von der Prärie im Provinzsüden bis zur Tundra im Norden Manitobas zurück, bevor man zwei Tage und zwei Nächte später in Churchill ankommt. Reisenden werden eine Reihe von Buchungsoptionen geboten, von einfachen Economy Sitzen bis hin zu Schlafwagenabteilen für mehrere Personen. Wer mit einem (Miet-)Fahrzeug in Manitoba unterwegs ist, könnte von Winnipeg aus etwa acht Stunden Richtung Norden bis zur Stadt Thompson fahren, wo er sein Fahrzeug abstellen und zur Weiterreise nach Churchill dann ebenfalls in den Zug oder ins Flugzeug umsteigen kann.
Nach Ankunft in Churchill können sich die Gäste zu einer eintägigen Eisbärentour an Bord eines riesigen Tundrafahrzeugs anmelden. Diese individuell buchbaren Touren werden von den lokalen Anbietern Frontiers North Adventures und Great White Bear Tours offeriert. Die Tagesausflüge dauern in der Regel von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, d.h. von etwa 7 bis ca. 17 Uhr, und beinhalten ein leichtes Mittagessen an Bord. Die großen Tundrafahrzeuge dürfen tief in die sogenannte Churchill Wildlife Management Area hineinfahren, eine Schutzzone etwas außerhalb der Stadt. Pro Person muss man für einen solchen Tagesausflug ca. 500 CAD einplanen.
In Churchill gibt es seit einiger Zeit eine neue Generation junger Unternehmer, die mit ihrem Fachwissen über die Tierwelt und ihrem lokalen Know-how alternative Erlebnisse zur Eisbärenbeobachtung bieten. Wer mit Discover Churchill, Beyond Borealis Expeditions oder Nanuk Operations unterwegs ist, reist in einer kleinen, exklusiven Gruppe und erhält einen persönlicheren Service. Die Touren finden nicht in riesigen Tundrafahrzeugen statt, sondern in kleinen Geländewagen zur Erkundung der Pfade, die zur Churchill Wildlife Management Area führen. Viele dieser jungen Unternehmer sind außerdem talentierte Fotografen, kennen die besten Perspektiven und haben viele Tipps für ein spektakuläres Foto.
Für Individualreisende ist es während der Eisbärensaison oft schwierig, eine Unterkunft in Churchill zu finden. Die Hotels und Motels der Stadt sind mit all den Gästen der großen, geführten Pauschalreisen bereits recht gut gebucht. Ein Planen im Voraus ist daher unerlässlich. Zu den Unterkünften in Churchill zählen das Aurora Inn, das Churchill Hotel, das Iceberg Inn, das Polar Inn & Suites sowie das Blueberry Inn. Während der Eisbärensaison werden für ein einfaches Zimmer Übernachtungspreise von bis zu 300 CAD pro Nacht aufgerufen. Immer mehr Einheimische öffnen ihre Türen inzwischen als Bed & Breakfast Unterkunft. Mit etwas Recherche findet man die entsprechenden Anbieter vor Ort.
Alternativ könnte man auch auf die Übernachtung verzichten und lediglich für einen Tag nach Churchill reisen. Ab Winnipeg werden entsprechende Tagestouren von Heartland International Travel & Tours angeboten. Die Preise liegen bei etwa 1.600 CAD pro Person und beinhalten den Hin- und Rückflug zwischen Winnipeg und Churchill, eine Tour im Tundra Buggy von Frontiers North Adventures, Mittagessen und einen sachkundigen Guide.
Für den gemütlichen Abenteurer: Mehrtägige Eisbärentouren in Churchill
Wer mehr Zeit in Churchill verbringen möchte, um Eisbären zu beobachten und die Stadt zu erkunden, sollte lieber eine mehrtägige Reise mit den lokalen Reiseunternehmen Frontiers North Adventures, Lazy Bear Expeditions oder Great White Bear Tours planen. Der Rahmen dieser klassischen Eisbärentouren ist bei allen Veranstaltern ähnlich: Die Gäste übernachten in einem Hotel in der Stadt und verbringen zur Beobachtung der Polarbären mindestens zwei Tage an Bord eines speziell angefertigten Tundrafahrzeugs. Jedes Unternehmen hat einen eigenen Namen für seine Fahrzeuge, seien es Tundra Buggies, Arctic Crawlers oder Polar Rovers.
Normalerweise wird bei diesen Touren ein zusätzlicher Tag in der Stadt verbracht, an dem ein lokaler Guide den Besuchern die natur- und kulturgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten Churchills zeigt. Ein Abstecher zum Itsanitaq Museum, dem im Bahnhof angesiedelten Besucherzentrum von Parks Canada oder dem Polar Bear International (PBI) House ist ein Muss und die vielen Souvenirläden entlang der Hauptstraße Kelsey Boulevard laden zu einem Bummel ein. Oft enthält ein mehrtägiges Reisepaket auch eine rasante Fahrt im Hundeschlitten. In Churchill gibt es mehrere indigene Anbieter entsprechender Touren, so z.B. Wapusk Adventures. Ein lohnenswertes Zusatzangebot (gegen Aufpreis) ist ein Hubschrauberflug mit Hudson Bay Helicopters oder Custom Helicopters, bei dem man die herrliche karge Landschaften der mit Bären gespickten Tundra aus der Vogelperspektive genießen kann.
Eine etwas andere Art einer Churchill-Reise bietet das Churchill Northern Studies Centre, eine gemeinnützige Forschungs- und Bildungseinrichtung, rund 23 Kilometer östlich von Churchill. Wissenshungrige Urlauber werden hier mit Wissenschaftlern zusammengebracht, die gerade Forschungsprojekte in der Subarktis durchführen. Die Gäste wohnen in einem umweltfreundlichen Gebäude mit schlafsaalähnlichen Unterkünften und nehmen an sogenannten „Learning Vacations“ teil, zu deren Programm im Herbst auch die Beobachtung von Eisbären aus einem der oben erwähnten Tundrafahrzeuge zählt.
Für den eingefleischten Naturliebhaber:
Ein exklusiver Aufenthalt in einer Tundra-Lodge
Wer sein Abenteuer-Level steigern und das raue Wesen von Mutter Natur samt Leben in der Tundra ohne Abstriche erleben möchten, kann seine Zeit bei den Eisbären mit einem Aufenthalt in einer Tundra-Lodge maximieren. Die Anbieter Frontiers North Adventures und Great White Bear Tours bieten ihre jeweils eigene Version eines Lodge-Aufenthaltes in der Tundra an. Am besten lässt sich diese Art der Unterkunft als eine temporäre Behausung aus miteinander verbundenen Tundrafahrzeugen beschreiben, die im Oktober und November tief in der Tundra im Herzen des Eisbärenreviers geparkt sind. Die Lodges bestehen aus jeweils zwei Schlafwagen, einem Speisewagen und einem Lounge-Wagen. Tagsüber sind die Gäste mit mobilen Tundrafahrzeugen auf der Suche nach weiteren Polarbären unterwegs, kommen aber abends immer wieder zur Lodge zurück, um dort zu übernachten. Durch die gemütliche Unterbringung in Schlafwagen mit Schlafkojen lernt man seine Mit-Abenteurer aus aller Herren Länder rasch kennen. Gemeinsam verbringt man mehrere Nächte inmitten der Eisbären, die oftmals Tag und Nacht an den Lodges vorbeiziehen.
Für alle, die den Nervenkitzel suchen: Abenteuer auf einer Fly-In Wildnis Lodge
Manitoba ist der weltweit einzige Ort, an dem abenteuerlustige Tierliebhaber zu Fuß in der Tundra unterwegs sein können, um dem mächtigen König der Arktis auf Augenhöhe zu begegnen. Der Reiseanbieter Churchill Wild betreibt drei abgelegene Wildnis Lodges, die jeweils nur einen kurzen Propellerflug von Churchill entfernt liegen. Die Dymond Lake Lodge, die Seal River Heritage Lodge und die Nanuk Polar Bear Lodge (die beiden letztgenannten wurden von National Geographic zu den Unique Lodges of the World gekürt) sind von Hand erbaute, familiengeführte Unterkünfte, die direkt an der Migrationsroute der Eisbären liegen. Jede Lodge bietet ihr eigenes, einzigartiges Erlebnis, aber stets werden die Gäste auf täglich angebotenen Walking Safaris von erfahrenen Guides, den „Eisbärenflüsterern“, zu Fuß in die Tundra geführt, um Polarbären zu sichten. Die professionellen Führer sorgen dafür, dass die Gäste einen sicheren Abstand zu den Wildtieren einhalten und das Verhalten der Eisbären nicht beeinträchtigen. Abends versammelt man sich gemütlich in der Lodge, wo man Geschichten und Fotos austauscht und die legendären hausgemachten Leckereien des Nordens genießt.
Weitere Informationen über Churchill und Manitoba gibt es unter www.travelmanitoba.com.
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